„Entschuldigen Sie mein Mitteilungsbedürfnis“

Wie wir Karin vermissen

Ein Nachruf

Liebe Karin,

Eine Idee hat dich vor sieben Jahren nicht mehr losgelassen: Eine Ausstellung in der ehemaligen Turnhalle der Alten Feuerwache, besser bekannt unter uns als Dezernat 16. Du hast das Potential des Ortes erkannt, denn – Hand aufs Herz – so viele gute Ausstellungsorte gibt es in Heidelberg nicht.

Um es allerdings in die Tat umzusetzen, fehlte für dich eine wichtige Voraussetzung: ein Verein. Für dich sonnenklar, für uns beide nicht. Du hast uns geschoben, immer wieder darauf hingewiesen, gemacht, getan, warst die treibende Kraft dahinter. Ohne dich hätte es den Verein nie gegeben.

Du hattest auch gleich eine Vorstellung davon wen du zu dieser allerersten Ausstellung einladen wolltest. Zu dieser Zeit warst du erst vor kurzem von Münster nach Heidelberg gekommen, und da in Münster künstlerisch so einiges „geht“, wolltest Du ein wenig dieses dynamischen Umfeldes hier her bringen.

Alle Planung war auf einem guten Weg. Bis auf eine klitzekleine Sache: „So wie die Turnhalle aussieht kann man darin keine Ausstellung zeigen. Wir müssen sie weiß streichen“.

Mit viel ehrenamtlichen Engagement haben wir mit Dir in wochenlanger Arbeit zunächst unseren Ausstellungsort vorbereitet. Selbst das Heidelberger Kulturamt war in Vertretung von Herrn Hohenadl beim Streichen mit von der Partie. Übrigens, keine leichte Aufgabe, das mit dem dem Streichen. Die Decke in einer Turnhalle ist schon ganz schön hoch. Trotz eines mobilen Gerüstes haben es unsere Pinsel fast nicht bis zum Dachfirst geschafft.

Und wie wir alle aussahen! Weiß natürlich. Und auch etwas blau-grün gefleckt. Holzboden ist weich, und hinterlässt dennoch gerne bunte Blessuren.

Die erste Arbeit hat uns Florina Leinß installiert. Grüne Linien auf dem Hallenboden, die das dort vorhandene Netz von Linien und Kreisen der Spielfelder erweiterten. Leider sind diese vor kurzem verschwunden.

Auf unsere „kurpfälzer Sprooch“ bist Du in Verbindung mit Kunst recht unfreiwillig gestoßen. So hattest Du ein Bild für den Tag der offenen Tür im Dezernat 16 fertiggestellt, 2016 muss das gewesen sein, und den unteren Teil in senkrecht verlaufende Streifen geschnitten. Du hattest es in der Turnhalle schon angebracht als zwei Mitarbeiter der Heidelberger Dienste vorbeikamen und sich darüber wunderten, warum das Bild kaputt sei. Zufällig war Dirk anwesend, der den beiden auf kurpfälzisch sagte: „S’ kehrt so“ also, „Das gehört so“. Dir hat die kleine Anekdote gefallen, sodass Du dem Bild fortan diesen Untertitel gegeben hast.

Wer mit dir jemals eine Ausstellung gemacht hat, der weiß: Die Sache auf die leichte Schulter nehmen geht gar nicht. Entweder man ist voll dahinter mit 100 % Einsatz oder man lässt es am besten bleiben. Und so kamen dann auch seitenfüllende E-Mails ohne Absätze Zustande, in denen Du deine Beweggründe, Zweifel, Tadel und Lob zum Wohle unserer Ausstellungs-Projekte zum Ausdruck brachtest.

Du hattest eben schon immer ein Mitteilungsbedürfnis.

Herzlich, Marius und Dirk

Liebe Karin,

Eine Idee hat dich vor sieben Jahren nicht mehr losgelassen: Eine Ausstellung in der ehemaligen Turnhalle der Alten Feuerwache, besser bekannt unter uns als Dezernat 16. Du hast das Potential des Ortes erkannt, denn – Hand aufs Herz – so viele gute Ausstellungsorte gibt es in Heidelberg nicht.

Um es allerdings in die Tat umzusetzen, fehlte für dich eine wichtige Voraussetzung: ein Verein. Für dich sonnenklar, für uns beide nicht. Du hast uns geschoben, immer wieder darauf hingewiesen, gemacht, getan, warst die treibende Kraft dahinter. Ohne dich hätte es den Verein nie gegeben.

Du hattest auch gleich eine Vorstellung davon wen du zu dieser allerersten Ausstellung einladen wolltest. Zu dieser Zeit warst du erst vor kurzem von Münster nach Heidelberg gekommen, und da in Münster künstlerisch so einiges „geht“, wolltest Du ein wenig dieses dynamischen Umfeldes hier her bringen.

Alle Planung war auf einem guten Weg. Bis auf eine klitzekleine Sache: „So wie die Turnhalle aussieht kann man darin keine Ausstellung zeigen. Wir müssen sie weiß streichen“.

Mit viel ehrenamtlichen Engagement haben wir mit Dir in wochenlanger Arbeit zunächst unseren Ausstellungsort vorbereitet. Selbst das Heidelberger Kulturamt war in Vertretung von Herrn Hohenadel beim Streichen mit von der Partie. Übrigens, keine leichte Aufgabe, das mit dem dem Streichen. Die Decke in einer Turnhalle ist schon ganz schön hoch. Trotz eines mobilen Gerüstes haben es unsere Pinsel fast nicht bis zum Dachfirst geschafft.

Und wie wir alle aussahen! Weiß natürlich. Und auch etwas blau-grün gefleckt. Holzboden ist weich, und hinterlässt dennoch gerne bunte Blessuren.

Die erste Arbeit hat uns Florina Leinß installiert. Grüne Linien auf dem Hallenboden, die das dort vorhandene Netz von Linien und Kreisen der Spielfelder erweiterten. Leider sind diese vor kurzem verschwunden.

Auf unsere „kurpfälzer Sprooch“ bist Du in Verbindung mit Kunst recht unfreiwillig gestoßen. So hattest Du ein Bild für den Tag der offenen Tür im Dezernat 16 fertiggestellt, 2016 muss das gewesen sein, und den unteren Teil in senkrecht verlaufende Streifen geschnitten. Du hattest es in der Turnhalle schon angebracht als zwei Mitarbeiter der Heidelberger Dienste vorbeikamen und sich darüber wunderten, warum das Bild kaputt sei. Zufällig war Dirk anwesend, der den beiden auf kurpfälzisch sagte: „S’ kehrt so“ also, „Das gehört so“. Dir hat die kleine Anekdote gefallen, sodass Du dem Bild fortan diesen Untertitel gegeben hast.

Wer mit dir jemals eine Ausstellung gemacht hat, der weiß: Die Sache auf die leichte Schulter nehmen geht gar nicht. Entweder man ist voll dahinter mit 100 % Einsatz oder man lässt es am besten bleiben. Und so kamen dann auch seitenfüllende E-Mails ohne Absätze Zustande, in denen Du deine Beweggründe, Zweifel, Tadel und Lob zum Wohle unserer Ausstellungs-Projekte zum Ausdruck brachtest.

Du hattest eben schon immer ein Mitteilungsbedürfnis.

Herzlich, Marius und Dirk

In Gedanken

Marius Mrotzek, Dirk Welz, Sabine Arndt, Steph Selke, Nicola Falley, Utha Buchholz, Marius Ohl, Vera Schneider, Amina Nour Yassine, Cholud Kassem, Kathrin Schneider, Sabine Geierhos, Eyal Pinkas, Jochen Steinmetz, Kjartan Einarsson

„Entschuldigen Sie meine Verschwiegenheit, mein Schweigen ist nicht dunkel mehr“

Karin verstarb am Abend des 30. Mai 2021 mit 42 Jahren in Folge eines schweren Krebsleidens in Dresden, wohin sie im Sommer 2019 mit ihrer Familie zog.
Ihr Atelier im Dezernat 16 zog sie im Frühjahr 2020 dorthin um.

Cholud Kassem

Durch den Verein hat uns Karin alle zusammen gebracht. Wenn er weiter besteht, tragen wir das Andenken an Karin weiter und sie wird immer bei uns sein.

Steph Selke

2013 bist du direkt neben mich ins Großraumatelier gezogen. Schon beim ersten Treffen hast du vor Ideen, Energie und Plänen nur so gesprudelt.
Aber frisch aus Münster nach Heidelberg und mit dem Ateliersitz im Dezernat 16 gelandet, warst du mit der Ateliersituation, den Platz hattest du ungesehen gemietet, sehr unzufrieden. Der Boden schmutzig und sehr staubig, die Luft geschwängert von altem Öl und dem Dunst der alten Feuerwache, keine vernünftigen Wände an denen deine großfomartigen Bilder, die in deinem Kopf schon Gestalt angenommen hatten, Platz fanden. Die offene Situation, mit anderen Künstlern und Kreativen nebeneinander ohne Abgeschlossenheit hingegen hast du als Chance gesehen.

Wenige Wochen, unzählige Teekannen voll Tee und viele lange tolle Gespräche zwischen uns später, wanderte der so ungeliebte dreckige und staubige holzgepflasterte Boden der Atelierhalle auf deine Arbeiten. Erst wurde er schraffiert und dann fanden sich einzelne Pflasterelement als Teil in deinen großen Arbeiten, fein säuberlich mit dünnstem Pinsel pünktchenweise aufgetragen (nicht! gestempelt), dann wurde eine Serie daraus (Erst_Ein_Druck 2013) und schließlich ein riesiges Bild: nur Holzpflaster.

Wochenlang hast du über der sehr großen Leinwand gebeugt bis das Bild komplett war.

Und dann warst du angekommen, hast Stellwände besorgt, Wände gebaut, gemalt, geplant, Kontakte geknüpft, geredet, organisiert, gedacht, geschrieben, gelebt, gezetert, gehardert und viel gelacht.

Dass ausgerechnet ich, die das große Holzpflasterbild so sehr mag, es beinahe kurz nach Fertigstellung versehentlich zerstört hätte, hast du mir schnell verziehen und mich mit meiner Handwerkskunst in deine Pläne (zum Beispiel Zweite Haut, Heidelberg, Hamburg, Dossenheim 2015) integriert. 

Du hast es geliebt mit mir stundenlang Kunst zu analysieren und interpretieren und das Thema „Frau im 21 Jahrhundert sein“ von vorne nach hinten und wieder zurück zu wälzen. Ich habe es sehr geschätzt, dass du mein Tun stets bestärkt hast. 

Karin, es war mir ein Fest! Danke, für all die tollen Momente.

Julia Schönborn

„Ich arbeite wahnsinnig gerne mit Künstler*innen“, erzähle ich ständig. „Sie lehren Dich Geduld und zeigen Dir immer wieder eine völlig neue Perspektive. Ich erinnere mich zum Beispiel an diesen einen Vormittag:
Eine Künstlerin, für die wir häufig kleine Auftragsarbeiten übernahmen, kommt unangekündigt vorbei. ‚Ich würde gerne mit Dir über Deinen Text sprechen, das passt so nicht, das geht ganz doll an mir vorbei, so fühle ich mich nicht gesehen.‘ Ich koche uns Kaffee, wir plänkeln ein wenig, verstricken uns dann intensiv in eine Diskussion über Beruf, Berufung und Vereinbarkeit, bevor wir vor meinem Bildschirm Platz nehmen. Dort bauen wir gemeinsam ein paar Sätze des Textes um, ich stelle Fragen, sie erläutert mir Hintergründe. Ich werde etwas ungeduldig, möchte, dass der Text fertig wird, aber sie ist noch nicht zufrieden. Mit den Fingern ihrer rechten Hand am Kinn, ohne den Kopf auf die Hand aufzustützen, sieht sie auf den Monitor und macht gelegentlich ‚Hmmm.‘ Sie hat sich wie so oft meinen Hocker genommen, balanciert mit übergeschlagenen Beinen und neigt den Oberkörper dem Text auf dem Bildschirm zu. ‚Hm.‘
Ich atme in die vergehenden Minuten hinein, bin teils genervt, teils belustigt, aber insgesamt echt entschleunigt. Frage sie, was bei ihr im Text noch ein Störgefühl verursacht. Sie wisse es nicht genau, es sei dieser eine Nebensatz, irgend etwas sei noch nicht rund.
Ich platziere den Cursor, lösche die Nebensatzkonjunktion und mache aus einem „oder“ ein „auch“. Danach blicke ich sie fragend an.
‚Ja!‘ ruft sie und schlägt mit der flachen Hand auf meinen Schreibtisch. ‚Das ist es!!‘“

Karin, die Künstlerin in dieser Geschichte bist Du. „Entschuldigen Sie mein Mitteilungsbedürfnis“ hast Du eine Deiner Arbeiten genannt, für die wir gemeinsam getextet haben. Nun wird dieses empfindsame, energiegeladene, beharrliche, tiefsinnige, kraftvolle, antreibende, hinterfragende, augenzwinkernde, wunderbare Mitteilungsbedürfnis in dieser Welt fehlen.
Ich sehe Dich in der Tür stehen, die Klinke in der Hand. „So wird es sein, meine Liebe“, sagst Du mit Nachdruck zu irgend etwas, worüber wir gerade noch sprachen. Dann lachst Du und gehst.
So werde ich Dich in Erinnerung behalten.
Danke, dass ich Dich kennen durfte. Danke für Geschichten und geteilte Gedanken und Deinen klaren Blick und Dein helles Lachen. Ich werde Dich vermissen.

Ellen Koban & Katharina Pelka, Stabsstelle Kultur- und Kreativwirtschaft

Wir erinnern uns gerne an Karin, als eine sehr engagierte, beruflich wie persönlich sehr geschätzte Künstlerin aus dem DEZERNAT#16. Es war uns eine Freude, sie bei der Umsetzung ihrer Projekte begleiten zu dürfen. Sie wird mit ihren bunten Ideen und abstrakten Bildern als Mensch und Künstlerin fehlen – in der Kunst- und Kulturszene Heidelbergs und weit darüber hinaus.

Vera Schneider

Du hast Kunst & Menschen miteinander verbunden, mich mit offenen Armen empfangen und mitgenommen. Deine Verbindungen bleiben bestehen und werden weitergeknüpft.

In Liebe, Freundschaft, Verbundenheit und Dankbarkeit.

Sabine Arndt

Unsere Freundin und Kollegin, Künstlerin, Antreiberin, Erschafferin, Bewegerin, Bedenkenträgerin, Freudenfrau, Ideensprayerin, Wortspielerin, Akteurin, Mama, Ehefrau, Tochter: Karin. Sie erschuf neben dem Vielen und großARTigen unseren Konnex art Kunstverein in Heidelberg und verband uns für Freundschaft und die Kunst. Eben diese Gruppe Menschen sind gerade so wichtig zum Teilen, still sein, trauern und um Karin ganz viel Raum in uns, in Heidelberg und in Münster zu geben.
In Liebe. Immer da. In tiefer Traurigkeit. In Unverständnis und Wut auf den „Idioten Leben“.

Utha Buchholz

oh menschenherz, was ist dein glück?
ein rätselhaft geborener
und, kaum gegrüßt,
verlorener,
unwiederholter augenblick!
_von N. Lenau_
🖤
.
.
erinnerungen
textausschnitt
gedanken
bilder
die bleiben
.
.
…Ich versuche mit mir
Trauer und Wut,
mit meiner Liebe und den Sehnsüchten-
ich bin so unruhig oft.
Ich mag immer noch das Bild
in meinem Inneren
von Deinen Filzvotbereitungen-
das fein Gezupfte und Gelegte-
das in einer Vitrine,
wie Schneewittchen-
das wäre schön.
Denkfühleimaginiere ich.
Vielleicht auch ohne Vitrine-
verletzlicher.
Empfindlicher.
Einfach so.
Wäre noch schöner.
Karin denkt an…
.
schöne Worte!
Vielen Dank liebe Karin

Dirk Welz

Die Abfallbehälter des Dezernat 16 liegen von unserem Büro aus genau am anderen Ende des Gebäudes. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, beim Entsorgen jemanden zu treffen. Soziales Müllrausbringen nenne ich das gerne.

So traf ich auch oft auf Karin. Respektive zuerst auf ihren schwarzen Volvo Kombi, der genau vor ihrem ersten Atelier hier parkte. Manchmal saß Karin morgens auch selbst darin, in akribischer Daumenarbeit ihre Mails am Handy schreibend.
Schon von weitem signalisierte mir dann ihre linke Hand durchs Fahrer-Fenster dass sie beschäftigt sei.

Zurück im Büro machte das Mail Programm dann „Plöng“. Eine Mail von Karin. Gewohnt detailverliebt im Inhalt.
Noch beim Gedanken ob ich ihre Mail morgen, nächste Woche oder überhaupt lesen will klingelt das Telefon.
„Hallo lieber Dirk. Ich habe dir gerade eine E-Mail geschrieben.“
„Ich weiß. War gerade daran sie zu löschen. Was steht drin?“
Ein Lachen am anderen Ende der Leitung.

Eben wollte ich fast sagen dass ich ihre E-Mails vermisse. Aber das ist es nicht. Es ist weitaus mehr. Und das wissen wir alle.

Karin, danke für diese sieben intensive Jahre, in denen ich mich mit dir austauschen, mit dir planen und auch herrlich streiten durfte.

Dieser Tage sehe ich übrigens überall schwarze Volvo Kombis parken …
Selektive Wahrnehmung nennt man das in der Psychologie. Und genau die hattest du in deinem Tun in keinster Weise.